Lebensstile,Szene, AIDS - Die neue "Bochow"Studie
So leben schwule Männer heute
Erste Ergebnisse der Bochow-Studie zeigen u.a.: Safer Sex ist nicht auf dem Rückzug - und Städter sind promisker als Landeier.
Bevor am Mittwoch auf der Fachtagung in Potsdam und am Freitag bei ver.di Michael Bochow seine Studie vorstellt, hier schon ein kleiner Vorabbericht.
Im Sommer hatte gaybrandenburg.de mit anderen schwulen Portalen und Print-Magazinen seine Leser aufgerufen, an der neuen Bochow-Studie teilzunehmen. Die seit vielen Jahren regelmäßig durchgeführten Untersuchungen im Auftrag der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung sollen Aufschluss über die Lebensweise von Schwulen geben. Neueste Ergebnisse liegen jetzt vor.
In knapp zwei Monaten wurden über 8.000 Fragebögen ausgefüllt, drei Viertel von ihnen online. Damit zeichnet sich ein recht klares Bild der deutschen Schwulen ab. Allerdings sind Klemmschwestern oder szeneferne "Männer, die mit Männern schlafen" in der Umfrage natürlich nicht erfasst - daher sind die Zahlen natürlich nicht repräsentativ für alle Schwulen in Deutschland. Auch sind die Schwulenmetropolen Berlin, Hamburg, München, Köln und Frankfurt deutlich überrepräsentiert.
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Hier die Ergebnisse: Partnerschaften Knapp die Hälfte der Befragten (47 Prozent) sind Singles. Dabei ist der Anteil in Stadt und Land gleich. Von den Männern, die "vergeben" sind, geben 29 Prozent an, "monogam" zu leben, 24 Prozent sind in einer offenen Beziehung. Wie erwartet sind Modelle mit "Fremdgehen" in den Metropolen populärer - eine Mehrheit der Beziehungen in den Homo-Hochburgen sind offen, während sich Schwule auf dem Land zumeist sexuelle Treue versprechen. Elf Prozent der festen Partnerschaften haben inzwischen die Homo-Ehe geschlossen, 18 Prozent erwägen diesen Schritt. Die grundsätzliche Ablehnung blieb konstant bei neun Prozent. Singles und Ältere stehen dem Modell der Eingetragenen Partnerschaften kritischer gegenüber als Männer mit festem Freund oder Jüngere. Anzahl der Sexpartner So promisk wie in den Medien oft porträtiert sind Schwule gar nicht: Etwa die Hälfte der Befragten gibt an, nur maximal drei verschiedene Sexualpartner in den letzten zwölf Monaten gehabt zu haben. 23 Prozent hatten nur einen, ein Prozent gar keinen. Über 50 Partner hatten im gesamten Bundesgebiet vier Prozent, die Quote in den Homo-Hochburgen ist wie vermutet höher (Berlin: sieben Prozent). Verglichen mit älteren Studien hat sich in den vergangenen Jahren die Promiskuität von Schwulen damit nicht erhöht. Safer Sex Der Kondomgebrauch bei Analsex unter Schwulen hängt im großen Maße davon ab, ob dieser mit einem festen oder losen Partner praktiziert wird. Unter HIV-Negativen und Ungetesteten verwendet die Hälfte grundsätzlich kein Kondom bei einem festen Partner; bei einem "Fremden" sind es vier Prozent, die nie ein Kondom verwenden. 30 Prozent verwenden bei festen Partnern grundsätzlich ein Kondom, 72 Prozent bei anderen Sexpartnern. Unter HIV-Positiven verwenden nur 38 Prozent grundsätzlich ein Kondom bei fremden Partnern, 54 Prozent verwenden es dagegen "flexibel" - abhängig davon, wie der erklärte oder vermutete HIV-Status des Partners ist. Nach dieser Umfrage verhalten sich 70 Prozent aller promisken schwulen Männer safe. Verglichen mit älteren Studien ist dieser Wert in den letzten rund 20 Jahren weitgehend konstant geblieben. Damit zeige die Studie, dass die weithin angenommene "deutliche Erosion von Safer Sex" trotz steigender Neudiagnosen nicht stattgefunden habe, so die Autoren. |
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Rund sieben Prozent aller Teilnehmer der Studie sind HIV-positiv getestet. 58 Prozent haben einen negativen Test erhalten, 35 Prozent sind ungetestet. Der Anteil der HIV-Positiven ist in den Homo-Metropolen weit höher. Spitzenreiter ist Berlin mit rund 16 Prozent positiven Testergebnissen. Eine gute Entwicklung sei, dass die Materialien der Aids-Hilfen unter Schwulen sehr bekannt sind - und das unabhängig davon, in welcher Region sie leben. So kennen drei Viertel der Befragten die Präventions-Plakate und mehr als die Hälfte die Faltblätter. Nur jedem zehnten sind diese Materialien gänzlich unbekannt. Der Anteil unter Jüngeren ist dabei höher. Neun von Zehn Befragten wussten zudem, wie sie HIV übertragen lässt (durch Blut und Sperma). 18 Prozent der Hauptschüler, aber nur acht Prozent der Abiturienten wussten das nicht. Beleidigungen Die Anzahl der Gewalterfahrungen hat sich in den vergangenen Jahren kaum verändert. 13 Prozent gaben an, in den letzten zwölf Monaten wegen ihrer Homosexualität angepöbelt oder beleidigt worden zu sein. Insbesondere junge Schwule sind davon betroffen. Ungeoutete blieben dagegen weitgehend von Pöbeleien verschont. Der Anteil von Opfern von Beleidigungen war in Dörfern, Städten und Metropolen gleich hoch. |