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Gleichstand mit Bayern beenden!

RedeLandtag

Wortlaut der Rede Jirka Witschak [Katte e. V.] anlässlich des Internationalen Tages gegen Homo- und Transphobie vor dem Landtag Brandenburg verbunden mit der Forderung nach einem Aktionsplan gegen Homo- und Transphobie in Brandenburg:

Sehr geehrte Frau Präsidentin
Sehr geehrte Abgeordnete,
Sehr geehrte Frau Ministerin,

liebe Anwesende,
liebe Freunde und Freundinnen,

ich freue mich, dass trotz des Werktages und der recht frühen Morgenstunde auch Vertreterinnen der lesbischen, schwulen und transidenten Selbsthilfegruppen bei der ersten Hissung einer Regenbogenflagge vor dem Brandenburger Landtag dabei und vor Ort sind. Es ist mir sehr wichtig, an dieser Stelle auch Volkmar Schöneburg begrüßen zu können. Dazu später mehr.

Die Regenbogenfahne ist das weltweite einigende Symbol der homo_sexuellen Emanzipationsbewegungen. Dabei sollte die Betonung beim Wort Bewegung immer auf der Mehrzahl liegen. Homo_sexuelle Bewegungen sind vielschichtig. Diese Vielschichtigkeit kann man kulturell, geschlechtlich, politisch, sozial und religiös erfahren und sehen. Was diese Bewegungen eint ist das Ziel nach einer diskriminierungsfreieren Gesellschaft im jeweiligen Heimatland sowie weltweit. Dafür kämpfen lesbische, schwule und transidente Menschen gemeinsam, in ihrer Vielfalt und in ihrer Unterschiedlichkeit.

Im Winter der später untergehenden DDR gründeten sich auf Brandenburger Boden erste homo_sexuelle Gruppen. Mein Dank, auch im Namen der heute Aktiven, gilt ihnen, die sie sich auf den Weg gemacht haben. Zu nennen wären hier Vereine und Gruppen wie HIP, Blus, TabuLos, Schichtwerk, das Blaue Wunder, Batusi, SDT-Boys, UM Queer und YoGaWi. Sie kamen aus Potsdam, Senftenberg, Schwedt, Königs Wusterhausen, der Prignitz und der Uckermark.
Auch die Lausitzmetropole Cottbus hatte frühzeitig eine lebendige Vereinslandschaft aufzuweisen, wie die Rosa Torten, die Aidshilfe Cottbus und Lebensart e. V. All diese Gruppen und Vereine gründeten sich in den 90er Jahren und schafften wichtige Voraussetzungen für die heute schon geltenden gesellschaftlichen Fortschritte bei der Akzeptanz der gar nicht so anderen Lebensweisen nicht-heterosexueller Menschen.

Denn sie schufen Projekte, die in ihren Regionen wirkten. Es entstanden Begegnungsmöglichkeiten und Beratungs- und Aufklärungsangebote. Oft unternahmen diese Aktiven etwas gemeinsam. Dabei kam das eine oder andere regionale oder landesweit wirksame Projekte heraus. Zu nennen wären hier die Brandenburger LesBiSchwule Tour auch heute noch von AndersARTiG e. V. organisiert, der CSD Cottbus der inzwischen auch ein Forum diverser Gruppen und Vereine ist und natürlich auch der CSD Potsdam organisiert von vielen Aktiven und begleitet von Katte e. V.

Heute haben sich die dezentralen und regionalen Strukturen und ihre Projekte auch in ihren Aufgaben zunehmend diversifiziert. Das muss nichts Schlechtes heißen. Denn jedes Projekt dass umgesetzt wird, bedeutet auch dass aktive Engagierte es vorantreiben, sich kümmern. Es hat zur Folge dass Menschen, die des Rates und der Hilfe bedürfen tatkräftige Unterstützung bei der Lösung ihrer Probleme in diesem Land finden können. Hierzu fällt mir die Künstlerin Georgette Dee ein: "nicht weniger ist mehr sondern mehr ist mehr".

Diese Aktiven und Engagierten organisieren unter anderem ein bundesweit vorbildhaftes Ehrenamts- und Ausbildungsprojekt, welches homo_sexuellen Jugendlichen und jungen Erwachsenen bei der Lebensneuorientierung hilft und sie in eine gute und angemessene Ausbildung bringt, wenn sie in der in der Schule Opfer von Mobbing wurden und dadurch weniger Chancen haben. Dieses so einmalige Projekt hilft hier besonders intensiv schwulen Flüchtlingen, indem es eine gesicherten und geschützten Raum organisiert, es in die existierende Jugendgruppe integriert und des weiteren Deutschkurse vermittelt.

Besonders erwähnen möchte ich an dieser Stelle auch die vielen Projekte, die zum Thema Transidentität umgesetzt werden. Vor Jahren wäre dies undenkbar gewesen. Heute gibt es Treffmöglichkeiten in Gruppen und sogar eine aufklärende Ausstellung "Max ist Marie - Mein Sohn ist meine Tochter ist mein Kind". Diese Ausstellung ist bundesweit ausgebucht und verdeutlicht damit die besondere Qualität der Arbeit der Selbsthilfegruppen.

Nun stehe ich hier nicht, um eine Werbeveranstaltung durchzuführen. Mein Ziel ist es ihnen sehr geehrte Abgeordnete die Wichtigkeit ihres Handelns zu verdeutlichen. Für uns ist die Hissung der Regenbogenflagge an dieser Stelle, am Parlament des Bundeslandes Brandenburgs, kein rein symbolischer Akt.

Und damit komme ich auf sie zurück, sehr geehrter Herr Volkmar Schöneburg. Eines der besonderen und für Brandenburg einmaligen Projekte ist die sog. Geschichstwerkstatt. Hier sammeln die Mitarbeitenden Dokumente zur Geschichte der homo_sexuellen Emanzipationsbewegungen im Kaiserreich, der Nazizeit, aus der DDR und über das heutige Brandenburg. Insbesondere werden auch Dokumente und Urteile zur Geschichte des Schwulenverfolgungsparagraphen 175 aufbereitet.

Dass sie Herr Schöneburg mit dem Schreiben eines Gutachten im Jahr 1988 zum Thema "Homosexualität und Arbeiterklasse" den für die Schwulenbewegung so wichtigen Film "Coming out" von Heiner Carow mit entscheidend ermöglichten, wussten wir bis zum Ausgraben verschiedener Dokumente aus Archiven bis dato nicht. Vielen Dank dafür. Das erwähnte Geschichtsprojekt ist 2014 einmalig mit Lottomitteln durch das Justizministerium finanziert worden. Schon der Lottomittelantrag im folgenden Jahr ist wegen der angeblichen Ähnlichkeit zum Erstantrag abgelehnt worden. Diese kleine wahre Begebenheit über zuwendungsrechtliche Rahmen bei der Vergabe von Lottomitteln zeigt das ganze derzeitige Dilemma, in dem sich sehr, sehr große Teile der homo_sexuellen Strukturen in diesem Land befinden.

Um fortlaufend zu arbeiten, beraten und helfen zu können, bedarf es auch einer angemessenen und dauerhafteren Förderung, welche zumindest die Fixkosten und die so wichtige konkrete Projektkultur der Selbsthilfegruppen absichert. Lottomittel helfen aufgrund der mehr oder weniger neuen Vergaberichtlinien hier nicht mehr. Hier ist ein essentieller Handlungsbedarf für Sie, sehr verehrte Abgeordnete, entstanden. Ohne die Klärung, der derzeitigen akut schwierigen Situation, ist die zukünftige Arbeit der Gruppen und Vereine in diesen Aufgabenfeldern, die im übrigen auch Verfassungsziele abdecken, nicht gesichert.

Und wenn ich schon bei Forderungen bin und sie hier versammelt sind, sehr geehrte Abgeordnete, dann möchte ich gleich noch eine zweite Forderung aufmachen, die wenig Symbolhaftes hat. Das Bundesland Brandenburg hat als eines der letzten drei Bundesländer keinen "Aktionsplan für Vielfalt der Lebensentwürfe - gegen Homo- und Transphobie" initiiert. Ich finde wir sollten den derzeitigen Gleichstand mit Bayern, denn Bayern verweigert sich einer solchen Forderung, beenden. Wenigstens hier :)

Ein solcher Aktionsplan wird seit langem von allen Gruppen und Vereinen gefordert. Es gibt verschiedene Entwürfe. Ein solcher Aktionsplan sollte aber vom Land und seinem Parlament initiiert werden. Dabei muss die Projekt- und Beratungslandschaft für homo_sexuelle Menschen dringend analysiert und evaluiert werden. Bedarfe müssen beschrieben werden um zukünftige konkrete Lösungsansätze zu ermöglichen. Es bedarf eines dauerhaften Dialoges mit der Landesregierung und ihnen dem Parlament, der sich nicht nur auf die bürokratischen und zuwendungsrechtlichen Fragen der Verwaltung reduziert und zurückzieht.

Insofern sehen wir die heutige Hissung der Regenbogenflagge vor dem Brandenburger Parlament als einen Auftakt zu einem breiteren Dialog, zu Lösungsansätzen und einem noch regenbogenbunteren Brandenburg in der Zukunft.

Vielen Dank.

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